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Fachtag - Vom Buch zur App

Blick von hinten über das Publikum zum Rednerpult.
Anlässlich des 10jährigen Bestehens des Stadtführers barrierefreies Bremen fand am 28. November 2019 im Tagungszentrum "Forum K" ein Fachtag unter dem Motto "Vom Buch zur App" statt. Eine Dokumentation der Beiträge und Diskussionen können Sie hier nachlesen.

© protze + theiling GbR

Ein runder Geburtstag, wichtige Entwicklungen, spannende Zukunftsvisionen: Alle Beteiligten waren sich einig, dass dies ein Anlass zum Feiern ist und vor allem ein Grund, sich untereinander auszutauschen, von Erfahrungen zu berichten und Ideen weiterzuentwickeln.

 

Deshalb haben der Landesbehindertenbeauftragte, die Wirtschaftsförderung Bremen, der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Europa sowie das Planungsbüro protze+theiling alle Interessierten eingeladen, am 28. November ins Tagungszentrum im Forum K zu kommen und Teil des Fachtags "Vom Buch zur App" zu sein.

 

Etwa 70 Menschen sind der Einladung gefolgt und haben dazu beigetragen, dass der Fachtag eine erfolgreiche und auf vielen Ebenen spannende Veranstaltung war.

Teil 1. Wo stehen wir jetzt?

Herr Staatsrat Wiebe vom Senator für Wirtschaft, Arbeit und Europa eröffnete die Veranstaltung und gratulierte dem Landesbehindertenbeauftragten und dem gesamten Begleitgremium des Stadtführers für die erfolgreiche Arbeit seit 2009. "Der Stadtführer und das jetzige Portal 'Bremen barrierefrei' erfüllt eine wichtige Funktion, insbesondere für Menschen mit Beeinträchtigungen aber auch für ältere Menschen und für alle, die auf Informationen zur Barrierefreiheit angewiesen sind: Es werden verlässliche Daten veröffentlicht, die sowohl über den spezifischen Zugang über www.bremen/barrierefrei aber auch über die Stadtseiten auf bremen.de zugänglich sind", so Staatsrat Wiebe. Und betont damit abschließend, dass dieses Angebot sowohl für Menschen die nach Bremen reisen wollen als auch für alle Bremer*innen wertvoll und hilfreich ist.

Anschließend begrüßte auch der Landesbehindertenbeauftragte Bremens Herr Dr. Steinbrück alle Teilnehmenden und betonte ebenfalls, dass die Nutzung von Technologien für alle auch der richtige und inklusive Weg ist, um Menschen mit Beeinträchtigungen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. "Alle technischen Neuerungen, die speziell für Menschen mit Beeinträchtigungen entwickelt wurden, sind früher oder später wieder vom Markt verschwunden. Die vorhandenen Technologien wie Smartphones oder Apps so zu konzipieren, dass sie für alle nutzbar sind, ist der einzig richtige Weg." In diesem Sinne hofft Joachim Steinbrück, dass das Portal "Bremen barrierefrei" noch viele Jahre neue Entwicklungen auf der Basis des Stadtführerkonzeptes vorantreibt.

Im ersten Beitrag nach den Begrüßungen wurde der Werdegang des "Stadtführer barrierefreies Bremen" vom Büro protze+theiling dargelegt. Hier wurde klar, dass der Stadtführer nicht seinen zehnten Geburtstag feiert, sondern eigentlich bereits seinen 33. Die erste Auflage gab es nämlich schon im Jahr 1986 als Ringbuch, herausgegeben von der Landesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte. Im Jahr 2009 gab es für den Kirchentag einen Stadtführer-Neustart mit dem Büro protze+theiling, der Erfahrungen aus den alten Stadtführern einbezogen hat. Fachlich unterstützt wird das Projekt seitdem von einem Begleitausschuss unter Vorsitz des Landesbehindertenbeauftragten. Seit 2014 gibt es den Stadtführer online und seit 2018 ist er auf dem Portal "Bremen barrierefrei" eingebunden, auf dem noch weitere Infos für Urlaub und Alltag in Bremen zu finden sind. Über die Jahre hat sich der Stadtführer barrierefreies Bremen zu einer wichtigen Informationsplattform für Menschen mit Beeinträchtigung, ihre Freund*innen und Familien entwickelt, denn hier sind bereits fast 800 Einrichtungen in Bremen eingetragen. Aktuell gibt es Pläne, eine App für alle zu entwickeln. Somit würde die technische Entwicklung des Stadtführers weiter fortgetragen werden.

Stadtführer für Menschen mit Beeinträchtigung gibt es auch in anderen Städten und so hat sich der Behindertenbeauftragte der Stadt Frankfurt, Sören Schmidt, auf den Weg nach Bremen gemacht, um uns etwas über den Stadtführer in Frankfurt zu erzählen. Dieser entstand ebenfalls anlässlich des Kirchentags, allerdings schon im Jahr 1975. Seitdem gab es weitere Auflagen in Buchform, die Neueste ist von 2017/18. Im gedruckten Format des Stadtführers werden nicht alle erhobenen Objekte abgedruckt, diese sind aber im Online-Stadtführer zu finden, der bereits über 5000 Objekte umfasst. Ähnlich wie in Bremen plant auch Frankfurt eine Stadtführer-App zu entwickeln.

Weitgereist und aus Berlin kam Uwe Niksch zum Fachtag. Als "Special Hero" ist Uwe Niksch Teil von Sozialhelden e.V. und gab einen Überblick über die vielen spannenden Projekte. Ob Pfandtastisch helfen, Leidmedien.de oder BrokenLifts – hinter allen Projekten stecken kreative Ideen, die eine gleichberechtigte Teilhabe für alle fördern. Das Projekt Wheelmap.org ist ebenfalls ein Sozialhelden-Projekt und die weltweit größte Online-Karte für rollstuhlgerechte Orte, bewertet von den Nutzer*innen als voll, teilweise oder nicht rollstuhlgerecht. Bald wird Wheelmap.org auch mit dem Bremer Stadtführer verknüpft sein.

Blick ins Publikum.

© protze + theiling GbR

Teil 2. Welche Ideen gibt es für die Zukunft?

Der zweite Teil der Veranstaltung umfasste drei parallel laufende Arbeitsgruppen.


Arbeitsgruppe 1: Wer muss mit ins Boot? Über Rahmenbedingungen und Beteiligte

In Arbeitsgruppe 1 ging es um notwendige Rahmenbedingungen und Beteiligte bei Stadtführer-Projekten. Wolf Arne Frankenstein begann damit, dass laut UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) Barrierefreiheit als eine wichtige Grundlage für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft sei. Bis eine vollständige Barrierefreiheit erreicht ist, seien jedoch Informationen zur Zugänglichkeit als Zwischenschritt notwendig, wie zum Beispiel in Form eines Stadtführers. Laut Herrn Frankenstein beantworte die UN-BRK auch die Frage, wer zu beteiligen sei: Neben den bisherigen Personen sollte über eine Beteiligung von Kinderorganisationen, Organisationen zu geschlechtlicher Vielfalt, dem Rat für Integration und Geflüchtetenverbänden nachgedacht werden, damit auch über inklusive Angebote für Kinder jenseits von Kita und Schule nachgedacht und Mehrfach-Diskriminierungen thematisiert werden können. Als konkreter blinder Fleck wurde das Thema Katastrophenschutz und besondere Hilfebedarfe für Menschen mit Beeinträchtigungen angeführt.

Martina Laurenz von "Heidelberg hürdenlos" berichtete die Entstehungsgeschichte dieses Stadtführers, der aktuell 1240 Einrichtungen beinhaltet und seit 2012 online ist. Die Finanzierung sei mittlerweile langfristig gesichert (Beirat für Menschen mit Behinderung, Europäischer Sozialfond, Personalkostenzuschüsse, Spenden), erhoben wird mit Hilfe langzeitarbeitsloser Menschen, was gewisse Herausforderungen bedeutet (kurze Zeitdauer, unterschiedliche Fähigkeiten und Motivation etc.). Bei der Erstellung der Website waren folgende Anforderungen ausschlaggebend: a) leicht erreichbar, b) technisch aufrüstbar und c) wirtschaftlich. Die Umsetzung wird durch eine Agentur gemacht.

In der Diskussion wurde die Umsetzbarkeit einer breiten Beteiligung in Frage gestellt bzw. formuliert, dass dafür eine umfangreichere Finanzierung nötig sei. Es wurde angemerkt, dass für Menschen mit Lernschwierigkeiten eine Extraseite wie das Portal Bremen barrierefrei oft nicht funktional sei, da diese sich dadurch nicht immer angesprochen fühlen würden. Ein Portal für alle mit gut lesbaren Texten sei langfristig sinnvoller. Es wurde die Hoffnung formuliert, dass Stadtführer-Projekte zukünftig nicht mehr notwendig seien, da die Umwelt wie auch Internetseiten ausreichend barrierefrei würden. Bis dahin wurde die Relevanz von Stadtführern für den Alltag wie für Reisen von betroffenen Personen unterstrichen.

Stadtführer barrierefreies Bremen - Ansichtsexemplare der Druckversionen.

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Arbeitsgruppe 2: Wie Inhalte vermitteln? Über Inklusion im Netz, in der Stadt und im Museum

Arbeitsgruppe 2 beschäftigte sich mit dem Vermitteln von Inhalten. Passend hierzu berichteten Thekla Werk und Sylvia Krenke-Felten von ihrer kürzlich besuchten Schulung und erfolgreich abgelegten Prüfung zur Stadtführerin von Gehörlosen für Gehörlose. Diese Stadtführungen finden in Gebärdensprache statt und stellen ein neues und wichtiges Format für Bremen dar. Im Unterschied zu Stadtführungen, die in Gebärdensprache übersetzt würden, würden sie direkt ausreichende Pausen einplanen, in der die Teilnehmenden die Sehenswürdigkeiten anschauen können, nachdem sie die gebärdeten Informationen verfolgt haben. Außerdem ist eine Übersetzung immer problematisch, da sich die deutsche Lautsprache von der deutschen Gebärdensprache in Grammatik und Linguistik unterscheidet. Die beiden Referentinnen unterrichten außerdem an der Gebärdensprachschule Bremen und berichteten, dass es in den meisten Bereichen im öffentlichen Raum nicht ausreichend Informationen für Menschen, die in Gebärdensprache kommunizieren, gebe. Auch beim "Stadtführer barrierefreies Bremen" könne beispielsweise in Zukunft ein Piktogramm mit gebärdenden Händen zusätzlich zu den anderen Piktogrammen eingesetzt und somit eine Ergänzung zu den bisherigen Informationen erzielt werden.

Anschließend informierte Vera Kulari von der Wirtschaftsförderung Bremen, Abteilung Online über Sprache und Verständlichkeit im Portal "Bremen barrierefrei". Sie legte die Regeln der Leichten Sprache dar und zeigte dies anhand von Beispielsätzen. Auf dem Portal gibt es einige Informationen auch in Leichter Sprache. Bei Anwendung der Leichten Sprache gebe es häufig kritische Stimmen. Genau so gibt es aber auch positive Rückmeldungen über die Leichte Sprache als ein wichtiges Instrument zur Vermittlung von Inhalten. Vera Kulari betont die Vereinbarkeit der unterschiedlichen Zielgruppen. Dies umzusetzen sei ein Prozess, der Zeit und Erfahrung braucht.

In einem dritten Vortrag berichtete Friedrun Portele-Anyangbe vom Deutschen Historischen Museum in Berlin von der "Ausstellung für alle". Diese Ausstellung beinhaltet inklusive Kommunikationsstationen, welche über gleichberechtigt angeordnete Texte in deutscher, englischer, Leichter Sprache, Brailleschrift sowie Videos in Deutscher Gebärdensprache und Audiodeskription die Inhalte der Ausstellung zugänglich macht. Auch das Einbeziehen vieler Sinne bei den einzelnen Stationen spielt bei diesem inklusiven Konzept eine große Rolle und trägt zu einem leichteren Verständnis der Inhalte bei. Abgerundet wird die Ausstellung für alle mit einem taktilen Leitsystem sowie einer Audioguide-Führung. Es ist außerdem ein rollstuhlgerechter Zugang zu allen Ausstellungen gewährleistet. Das Konzept fördert die kulturelle Teilhabe und bietet für alle die Möglichkeit, sich über das Gelesene/Gehörte/Gesehene auszutauschen.

Zwei Frauen halten einen Vortrag in Gebärdensprache.

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Arbeitsgruppe 3: Alles App oder was? Neue Techniken und Möglichkeiten

Mit Benjamin Tannert eröffnete die 3. Arbeitsgruppe eine in die Zukunft gerichtete Diskussion zu den Möglichkeiten, mit dem eigenen Smartphone als ständigem Begleiter durch die Stadt geführt zu werden. Voraussetzung – und das erläuterte Benjamin Tannert am Beispiel eines Forschungsprojektes für die Stadt Bremerhaven – ist ein lernendes System im Hintergrund, dass beispielsweise alle Daten zu Belägen, Steigungen, Entfernungen sowie Gebäudenutzungen kennt und je nach Wunsch ausgeben kann.

In der Diskussion wurde darauf hingewiesen, dass eine ständige Nutzung des Smartphones auf alltäglichen Wegen häufig unpraktisch ist und es sehr individuell sei, welche Informationen für das Zurechtfinden auf den Wegen durch die Stadt benötigt werden.

Die Erfahrungen mit der Entwicklung von technischen Hilfen und inbesondere von Navigationssystemen fasste Gerd Renzel in seinem Beitrag zusammen. Er betonte, dass Einzellösungen häufig wenig dauerhaft waren und die aktuelle Nutzungsoption von Smartphone oder Tablet neue technische Wege für alle eröffnen. "Ohne Leitlinie finde ich mich aber in der Stadt nicht zurecht." So betonte Gerd Renzel die Notwendigkeit, dass es für eine Orientierung und Sicherheit auf den alltäglichen Wegen zuerst einer klaren baulichen Umgebung bedarf, welche durch Informationssysteme sinnvoll ergänzt werden können.

Insgesamt wurde in der Arbeitsgruppe der Ansatz für Apps als hilfreiche Begleiter unbedingt befürwortet. Insbesondere viele junge Menschen mit Beeinträchtigen nutzen die vorhandenen Angebote der Bahn etc. bereits, so dass die Weiterentwicklung dieser Unterstützungsangebote z.B. auch als App-Format für "Bremen barrierefrei" nur als logische Konsequenz erscheint.

Abschluss

Abschließend bedankte sich Joachim Steinbrück bei allen Teilnehmenden für die rege Beteiligung und den Organisierenden für den reibungslosen Ablauf. Um in Zukunft mehr Vielfalt abzubilden, stellt er die Frage in den Raum, wie es gelingen kann, viele neue Akteure einzubeziehen. Ein weiteres Ziel sollte sein, zukünftig kein Portal "Bremen barrierefrei" mehr zu benötigen, da die Anzahl der barrierefreien Einrichtungen die der nicht-barrierefreien dann übertreffe. Bis dahin sei es aber umso wichtiger, die Stadtführer-Projekte finanziell abzusichern und aktuelle technische Möglichkeiten für ein noch besseres Informationsangebot weiter zu entwickeln.